Mehr Sicherheit und Lebensqualität

Tempolimits innerorts, auf Landstraßen und Autobahnen

Das Thema Tempolimits, egal ob innerorts, auf Landstraßen oder Autobahnen, erhitzt die Gemüter und entfacht sogleich erregte Diskussionen. Es wird meist kontrovers diskutiert, die einen sind dafür und die anderen vehement dagegen. Nach dem Motto „freie Fahrt für freie Bürgerinnen und Bürger“ handelt es sich auch um ein politisches Thema und andere sehen den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands gefährdet. Allerdings haben zahlreiche Länder, wie Frankreich, Österreich, Italien, Schweden und Spanien, bereits ein Tempolimit auf ihren Autobahnen eingeführt und sind dennoch wirtschaftlich erfolgreich. 

Wer sich Verkehrssicherheit auf die Fahnen geschrieben hat und die Vision Zero mit Null Verkehrstoten ernst nimmt, kommt heutzutage an einer Tempolimit-Diskussion mit Beschluss nicht vorbei. Auch die Deutsche Verkehrswacht (DVW) hat auf der Jahreshauptversammlung 2023 in Warnemünde einen Tempolimit-Beschluss verabschiedet. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) hat sich bereits im Mai 2019 für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ausgesprochen. Mehr als 70 Prozent der Autobahnkilometer haben, laut Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) keinerlei Geschwindigkeitsbegrenzung. Hier liegt Potential die Verkehrssicherheit zu erhöhen und nebenbei die Umwelt zu schützen. Selbst beim ADAC hat die Zahl der Personen, die eine Geschwindigkeitsbegrenzung befürworten, zugenommen. Eine Mehrheit von 52 Prozent stimmt dafür. Immer mehr Städte und Gemeinden wünschen sich Tempo 30 innerorts, auch auf Hauptverkehrsstraßen. Hierfür macht sich die Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden" stark..
Die Geschichte der Tempolimits in Deutschland ist ein Hin und Her. Ländersache war die Verkehrsgesetzgebung in Deutschland bis in die Weimarer Republik. Doch der NS-Staat übertrug die Gesetzgebungskompetenz komplett auf das Reich. 1934 wurden alle Bestimmungen über Geschwindigkeiten aufgehoben. Wegen hoher Unfallzahlen wurden im Mai 1939 wieder Begrenzungen eingeführt: Pkw innerorts 60 km/h, außerorts 100 km/h, Lkw 40 bzw. 70 km/h. In der Bundesrepublik Deutschland wurden 1953 jegliche Höchstgeschwindigkeiten wieder aufgehoben. Vom 23. Januar 1953 bis zum 31. August 1957 gab es keine Geschwindigkeitsbeschränkungen für Pkw und Motorräder. Ein Limit von 50 km/h innerorts wurde am 1. September 1957 eingeführt. Außerorts durften sämtliche Verkehrsteilnehmende beliebig schnell fahren, was sehr hohe Unfallzahlen mit vielen Getöteten zur Folge hatte. Ein Tempolimit außerorts von 100 km/h wurde am 1. Oktober 1972 installiert. Ausgenommen waren Autobahnen. Mit der sogenannten Ölkrise galt ab dem 24. November 1973 für vier Monate Tempo 100 auf Autobahnen. Schließlich wurde es 1974 aufgehoben und eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h eingeführt. „Seit Ende der Beteiligung der Grünen an der Bundesregierung im Jahr 2005 setzte sich keine der Regierungsparteien mehr für ein allgemeines Tempolimit ein“, heißt es bei Wikipedia im Internet.
Nicht angepasste Geschwindigkeit ist, laut amtlicher Statistik, bei Unfällen mit Getöteten die häufigste Unfallursache. Alle neun Stunden stirbt ein Mensch bei einem Geschwindigkeitsunfall in Deutschland. Bei fast jedem vierten Pkw-Fahrenden ist „nicht angepasste Geschwindigkeit“ die Unfallursache eines schwerwiegenden Unfalls mit Sachschaden, so das Statistische Bundesamt. Vor allem bei Alleinunfällen ist die nicht angepasste Geschwindigkeit die Hauptunfallursache. Männliche Fahrende sind häufiger mit unangepasster Geschwindigkeit unterwegs als weibliche. Etliche Männer fahren gerne schnell und möchten dies auch weiterhin. Höhere Geschwindigkeiten sind für sie reizvoll und machen ihnen. Als Unfallursache steht unangepasste Geschwindigkeit bei Männern an der Spitze. Es ist wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen, dass mit höherer Geschwindigkeit die Unfallauswirkungen gravierender sind. Nicht nur der Bremsweg verlängert sich bei höherer Geschwindigkeit, sondern auch der Reaktionsweg. Beides zusammen ist der Anhaltweg, der oft über Unfall oder Schreck entscheidet. So beträgt der Anhalteweg z. B. bei Tempo 30 km/h 13,6 Meter und bei 50 km/h 28,7 Meter, mehr als doppelt so lang. Wer 100 km/h statt 130 km/h fährt, verringert den Bremsweg um 40 Meter.
Dass ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen die Zahl der Unfälle um 25 Prozent und der Verletzten um 20 Prozent reduziert, hat eine Studie aus Brandenburg (2007) gezeigt. Zudem würde das Risiko schwerer Verletzungen deutlich sinken. „Damit würde sich ein jährlicher Nutzen von rund 5,3 Mio. Euro ergeben, wenn die Geschwindigkeit der Pkw auf 130 km/h begrenzt wird", so die Autoren der Studie. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h auf Landstraßen bietet ebenfalls großes Potential, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und Menschenleben zu schützen. Der 53. Deutsche Verkehrsgerichtstag hat sich bereits im Jahr 2015 im Arbeitskreis Unfallrisiko Landstraße für eine Regelgeschwindigkeit von 80 km/h auf Landstraßen ausgesprochen.
Jeder verletzte und getötete Mensch im Straßenverkehr ist eine Person zu viel. Die Vision Zero ist das angestrebte Ziel. Tempolimits sind eine Stellschraube zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Ein Tempolimit kann dazu beitragen, die Verkehrssicherheit und Lebensqualität zu erhöhen, entspannter sowie gelassener zu fahren und gleichzeitig die Umwelt zu schützen.

Foto: Pixabay

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